Genehmigungspflicht
Es liegt ein genehmigungspflichter Vorgang vor:
- Erwerb des gesamten Unternehmens;
- Erwerb eines bestimmten Ausmaßes an Stimmrechtsanteilen (je nach Bereich zehn Prozent oder 25 Prozent);
- Erwerb eines beherrschenden Einflusses; oder
- Erwerb wesentlicher Vermögensbestandteile, wodurch ein maßgeblicher Einfluss auf einen Teil des Unternehmens erworben wird.
Das österreichische Zielunternehmen (Unternehmen, welches gänzlich oder teilweise erworben werden soll) ist in einem Bereich tätig, der in der Anlage zum InvKG genannt ist. Eine Liste dieser Bereiche findet sich im Anhang des InvKG.
Teil 1
Teil 1 der Anlage zum InvKG beinhaltet eine taxative Aufzählung, während des sich bei den in Teil 2 der Anlage aufgelisteten Bereich um eine demonstrative Aufzählung handelt.
Besonders sensible Bereiche, für die die Stimmrechtsanteile gemäß § 4 Z 1 gelten (abschließende Aufzählung):
- Verteidigungsgüter und –technologien
- Betreiben kritischer Energieinfrastruktur
- Betreiben kritischer digitaler Infrastruktur, insbesondere von 5G Infrastruktur
- Wasser
Teil 2
Andere Bereiche, in denen es zu einer Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung einschließlich der Krisen- und Daseinsvorsorge im Sinne von Art. 52 und 65 AEUV kommen kann
1. Kritische Infrastrukturen (Einrichtungen, Systeme, Anlagen, Prozesse, Netzwerke oder Teile davon); dazu zählen insbesondere:
- 1.1. Energie
- 1.2. Informationstechnik
- 1.3. Verkehr und Transport
- 1.4. Gesundheit
- 1.5. Lebensmittel
- 1.6. Telekommunikation
- 1.7. Datenverarbeitung oder –speicherung
- 1.8. Verteidigung
- 1.9. verfassungsmäßige Einrichtungen
- 1.10. Finanzen
- 1.11. Forschungseinrichtungen
- 1.12. Sozial- und Verteilungssysteme
- 1.13. chemische Industrie
- 1.14. Investitionen in Grundstücke und Immobilien, die für die Nutzung der unter 1.1. bis 1.13. genannten Infrastrukturen von entscheidender Bedeutung sind
2. kritische Technologien und Güter mit doppeltem Verwendungszweck im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 428/2009, einschließlich
- 2.1. künstliche Intelligenz
- 2.2. Robotik
- 2.3. Halbleiter
- 2.4. Cybersicherheit
- 2.5. Verteidigungstechnologien
- 2.6. Quanten- und Nukleartechnologien
- 2.7. Nanotechnologien
- 2.8. Biotechnologien
3. die Sicherheit der Versorgung mit kritischen Ressourcen, einschließlich
- 3.1. Energieversorgung
- 3.2. Rohstoffversorgung
- 3.3. Lebensmittelversorgung
- 3.4. Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen, Medizinprodukten und persönlicher Schutzausrüstung einschließlich Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen
4. Zugang zu sensiblen Informationen, einschließlich personenbezogener Daten, oder die Fähigkeit, solche Informationen zu kontrollieren
5. Freiheit und Pluralität der Medien.
Als "kritisch" sind Infrastrukturen im Sinne von Z 1, Technologien im Sinne von Z 2 und Ressourcen im Sinne von Z 3 anzusehen, die eine wesentliche Bedeutung für die Aufrechterhaltung wichtiger gesellschaftlicher Funktionen haben, weil deren Störung, Zerstörung, Ausfall oder Verlust schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit, Sicherheit oder das wirtschaftliche und soziale Wohl der Bevölkerung oder das effektive Funktionieren von staatlichen Einrichtungen haben würde.
Darüber hinaus können Tätigkeiten auch in weiteren als in Teil 2 der Anlage genannten Bereichen kritisch iSd InvKG sein, z.B. Sicherheitsdienstleistungen.
Nicht unter die Anlage subsumiert und auch sonst nicht kritisch iSd InvKG angesehen werden:
- Dienstleistungen: reine Beratungsdienstleistungen ohne eigene operative Geschäftstätigkeiten werden nicht unter das InvKG subsumiert. Dienstleistungen wie Schulungen, technischer Support sowie Beratung in Werkstattplanung, Prozessoptimierung und Management sind von der Genehmigungspflicht nach dem InvKG ebenfalls nicht erfasst; ebenfalls nicht erfasst sind Sammlung, Aufbereitung, Recycling, Entsorgung von festen Siedlungsabfällen, Straßenreinigung, Pflege und Erhaltung von Grünflächen; Instandhaltung und Reinigung von Gebäuden und Anlagen; Behandlung und Entsorgung von Industrieabfällen und die Sanierung von kontaminierten Böden.
- Verpackungen: Verpackungen für Lebensmittel und/oder Arzneimittel/Medizinprodukte werden dann unter das InvKG (u.a. Gesundheit, Lebensmittel) subsumiert, wenn es sich um kritische Produkte handelt, die einer gesetzlich reglementierten Verpackungspflicht unterliegen (vgl. hierzu z.B. Fertigpackungsverordnung – FPVO 1993, VO (EU) 10/2011, RL (EG) 2007/42, RL (EU) 2007/42, VO (EG) 450/2009, VO (EU) 2023/2006, VO (EU) 1935/2004
- Marketing: Marketing- und Kommunikationsdienstleistungen, insbesondere in Form von Konzeption, Planung und Umsetzung von Marketingstrategien, Werbekampagnen sowie Kommunikationsmaßnahmen und EDV-Dienstleistungen für die Erstellung und Betreuung von Websites und Applikationen zu Marketingzwecken sowie die Entwicklung digitaler Verkaufshilfen werden nicht unter die Anlage subsumiert
Bei den veröffentlichten Auslegungsfragen handelt es sich um Einzelfallentscheidungen und bedeuten nicht, dass ähnlich gelagerte Fälle nicht anders beurteilt werden.
Erwerb wesentlicher Vermögensbestandteile:
Gemäß den Erläuterungen zu § 2 InvKG (ErlRV 240 Blg XXVII. GP 3) kommt es bei den in Abs. 1 Z 3 lit. d definierten asset deals darauf an, dass der bzw. den erwerbenden Personen ein beherrschender Einfluss auf die erworbenen wesentlichen Vermögensbestandteile zukommen. Auch dadurch kann ein Übergang der Marktposition auf den Käufer stattfinden, die in bestimmten Fällen zu einer Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung führen kann.
Beispiele:
- vertragliche Übernahmepflicht der Arbeitsverhältnisse und/oder der Kunden des Zielunternehmens,
- Erwerb von Arzneimittelzulassungen, Inventar, Geschäftsbücher und Aufzeichnungen einschließlich Kundenliste
Erwerb eines beherrschenden Einflusses
Ausweislich der Materialien sind nicht ausschließlich fusionskontrollrechtliche Sachverhalte vom Begriff des § 1 Z 7 InvKG erfasst. Ein beherrschender Einfluss kann auch dann vorliegen, wenn die Stimmrechtsanteile gemäß den §§ 4 und 5 nicht erreicht werden, aber auf andere Weise sichergestellt ist, dass die erwerbende Person bestimmend in die Tätigkeit des österreichischen Unternehmens eingreifen kann. Die Voraussetzung ist erfüllt, wenn die erwerbende Person allein oder im Zusammenwirken mit anderen Personen bestimmend einwirkt.
Es ist auch nicht unbedingt notwendig nachzuweisen, dass ein bestimmender Einfluss tatsächlich ausgeübt wird oder in Zukunft ausgeübt werden wird (siehe Rn 16, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung [EG] Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen [2008/C 95/01]).
Beispiel: Vetorecht in strategischen Bereichen, z.B. beim Budget, wodurch die Weiterbelieferung von Kunden in Österreich eingestellt werden könnte
§ 2/2-Ausnahme
Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn das österreichische Zielunternehmen ein Kleinstunternehmen (inklusive Start up-Unternehmen) mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von unter zwei Millionen Euro ist.
Die Auslegung der Bestimmung des § 2 Abs. 2 InvKG orientiert sich an der Empfehlung der Europäischen Kommission betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. L 124 vom 20.5.2003.
Gemäß Art. 4 Abs. 2 leg. cit. des Anhangs dieser Empfehlung verliert bzw. erhält ein Unternehmen den Kleinstunternehmer-Status, wenn es in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren zu einer Über- oder Unterschreitung kommt.
Für die Berechnung der Mitarbeiteranzahl wird auf Art. 5 leg. cit. verwiesen.
Bei mehreren Zielgesellschaften wird für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 InvKG eine "stand-alone"-Betrachtung jeder Zielgesellschaft vorgenommen.
Die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 wird auf die Zielgesellschaft angewendet, und nicht auf Unternehmensteile. Veräußert eine Zielgesellschaft z.B. eine Unternehmenssparte, wird seitens der Behörde nicht darauf abgestellt, ob die Sparte die §2 Abs. 2 Ausnahme erfüllt, sondern die Zielgesellschaft. Andernfalls wäre eine Umgehung durch scheibchenweise Veräußerung möglich.
Teil 2_/_1.5 nennt Lebensmittel als eine abstrakt kritische Infrastruktur. Gemäß der Rechtsansicht der Investitionskontrollbehörde trifft allerdings diese Vermutung der Kritikalität nicht pauschal auf alle Lebensmittel zu (nicht zutreffend bisher auf Erfrischungen aus Verkaufsautomaten, Burgerbuden, Tiefkühlpommes). Hier fallen die Tätigkeiten zwar dem Wortlaut nach unter Punkt 1.5. Lebensmittel, diese Tätigkeiten sind aber nicht einmal abstrakt kritisch und fallen daher nicht unter die Genehmigungspflicht.
Gesundheit und Lebensmittel beziehen sich ausschließlich auf Human- nicht aber Veterinärmedizin bzw. ausschließlich auf Nahrungs- und nicht Tierfuttermittel
Gesundheit und Lebensmittel beziehen sich ausschließlich auf Human- nicht aber Veterinärmedizin bzw. ausschließlich auf Nahrungs- und nicht Tierfuttermittel
Glücksspiel: Subsumtion unter Finanzen
Siehe hiezu auch die Ausführungen des Bundesministeriums für Finanzen zu den Risiken (u.a. Nutzung von Glücksspielen zur Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung; Einnahmequelle für kriminelle Syndikate, Finanzmarktstabilität): Glücksspiel & Spielerschutz
Unterscheidung Haupt- und Nebentätigkeiten: Nebentätigkeiten im IT-Bereich werden dann nicht unter "IT" in der Anlage zum InvKG subsumiert, wenn diese bloß der Erfüllung der Haupttätigkeit dienen und die Haupttätigkeiten nicht unter die Anlage zu subsumieren und auch sonst nicht kritisch iSd InvKG sind (Beispiel: Haupttätigkeit ist der Verkauf von Kleidung, als Nebentätigkeit wird ein Online-Shop betrieben)
Marketing- und Kommunikationsdienstleistungen, insbesondere in Form von Konzeption, Planung und Umsetzung von Marketingstrategien, Werbekampagnen sowie Kommunikationsmaßnahmen und EDV-Dienstleistungen für die Erstellung und Betreuung von Websites und Applikationen zu Marketingzwecken sowie die Entwicklung digitaler Verkaufshilfen werden nicht unter die Anlage subsumiert
Unter den Begriff "Verkehr und Transport" sind u.a. Personenverkehr, Güterverkehr, Eisenbahn, Straßenverkehr, Kraftfahrwesen, Schiffahrt, Luftfahrt und Seilbahnen zu verstehen.
Der Vertrieb von Lacken und Beschichtungen, Produkten für Smart Repair und Ausbeultechnik von Kfz wird nicht subsumiert.
Sammlung, Aufbereitung, Recycling, Energierückgewinnung aus und Entsorgung von festen Siedlungsabfällen wird nicht unter "Energie" subsumiert